
Das Königreich Tonga liegt rund tausend Seemeilen nördlich von Neuseeland und fünfhundert Seemeilen östlich von Fidschi. Es besteht aus vier Inselgruppen, die annähernd auf einer geraden Linie liegen. Wir sind bei der unter Segler:innen beliebten Vava’u Gruppe ins Land eingereist, wo wir im Schutze der Hauptinsel Utu Vava’u eine besonders komfortable Bucht vorfinden.
Neiafu
Hier, direkt vor der Stadt Neiafu, erholen wir uns von der anstrengenden Überfahrt und René preist mehrmals täglich die unbewegte Wasseroberfläche. Keine Wellen finden den Weg in den länglichen Meeresarm hinein und sogar die Motorboote fahren anständig, sodass es sich anfühlt, als lebten wir auf festem Boden.
Karte von Tonga (Bild von Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tonga.jpg) | Bucht vor Neiafu
Der Zugang zum Ufer ist bemerkenswert leicht, weil es entlang der Stadt mehrere öffentliche Schwimmstege gibt. Direkt am Frachtschiffanleger befindet sich die Markthalle, auf einem Hügel steht prominent eine strahlend weisse Kirche, die Strasse dazwischen wird von diversen Geschäften gesäumt.
Kirche | Gemüsemarkt | Einkaufsgeschäft mit Gartenbedarf | Souvenierladen | Frau vor einem Geschäft | Schulkinder unterwegs
Wir schlendern durch die Gegend und leben uns ein. Rasch fällt auf, dass es hier etwas anders zugeht als in Französisch Polynesien. Wenige grüssen auf der Strasse und ich habe den Eindruck, dass die Leute eher darauf warten, dass wir auf sie zugehen, als umgekehrt. Frauen und Männer tragen sittliche Kleidung, vorzugsweise mit bedeckten Schultern und Knien. Nicht selten sieht man Männer in wadenlangen Röcken.
Tonga ist stark christlich geprägt und sonntags ist die Kirche auf dem Hügel bis auf die letzte Bankreihe besetzt, einige Leute sitzen sogar auf Klappstühlen im Torbogen. Neiafus Strassen sind hingegen leergefegt. Arbeiten, aber auch Freizeitaktivitäten wie Surfen oder Tauchen sind an diesem Wochentag unangebracht, die Ankerbucht wird noch beschaulicher und sogar die Hähne scheinen leiser zu krähen.

Abendstimmung vor Neiafu
Hallo Buckelwal
In Tongas Gewässern treffen sich um diese Jahreszeit Buckelwale zu Paarung und Geburt bevor sie im Sommer wieder in die nährstoffreiche Antarktis zurückkehren. Das Thema Wale ist hier allgegenwärtig, vielerorts werden Waltouren angepriesen, T-Shirts mit Walprints und Schmuckstücke mit Waldarstellungen werden angeboten. Die Idee, an einer Wal-Tour teilzunehmen, wird in unserer Tiny Fleet schon länger diskutiert. René und ich waren bisher skeptisch, weil wir uns ausmalen, dass die Wale sich von den Tourist:innen gestört fühlen. Schliesslich siegt aber doch die Neugier und wir buchen gemeinsam mit den anderen ein Boot.
Mit einem Ausflugsboot von Beluga Dive geht es hinaus vor die Küste. Es dauert einige Stunden bis die dreiköpfige Crew einen Wal ausgemacht hat, der nicht sogleich wieder verschwunden ist. Mehrfach sehen wir den Blas und den auftauchenden Walrücken in der bewegten See. Wir werden angewiesen, Schnorchelausrüstung anzuziehen, dann springt Tourguide Jo mit Vieren von uns ins Wasser und schwimmt eilig in Richtung des Wals, während das Boot Abstand hält.

In Schnorchelausrüstung: Petunia, Laura, Ester und Illy (v.l.)
Das Buckelwalmännchen schwebt etwa zehn oder fünfzehn Meter unter uns und singt inbrünstig, so dass wir die Vibrationen körperlich spüren. Im trüben Wasser sind vorerst nur die weissen Umrisse der Schwanzflosse und des Hinterleibs zu erkennen. Wir warten und lauschen dem Konzert. Schliesslich wird immer mehr des riesigen Körpers sichtbar. Langsam steigt der Wal an die Oberfläche bis er unweit von uns auftaucht, frische Luft holt, um dann wieder gemächlich abzutauchen. Wir filmen wie verrückt und sind ganz aus dem Häuschen, als wir zurück an Bord klettern und die anderen vier Teilnehmer an die Reihe kommen.
Der Buckelwal taucht auf
Höhlen und Flughunde
Südlich der Hauptinsel Utu Vava’u stehen unzählige kleinere Inseln wie Kommoden in der Gegend herum, gerade aufragende Felswände mit dichten, grünbewaldeten Kuppen. Auf Meereshöhe ist das dunkle Vulkangestein porös und ausgewaschen. Es haben sich interessante Höhlen und Tunnels gebildet, hin und wieder findet man einen einsamen Strand aus weichem Sand.
Eindrücke von Vava'us Landschaft
Wir ziehen weiter zur Insel Kapa und begeben uns auf Erkundungstour. Mit dem Dinghy fahren wir den Felswänden entlang und in einige der Höhlen hinein. Die Swallows Cave scheint oft besucht zu werden, denn ihre Wände sind von vielen Graffitis verunstaltet. An der mit Stalaktiten geschmückten Decke ruhen sich an die hundert Fledermäuse aus, die aufgeschreckt umherflattern, als wir uns ihrem Zuhause nähern. Obwohl es in der Höhle dunkel ist, leuchtet das Wasser intensiv blau und man erspäht den Grund. Andere sind nicht so verunstaltet und beherbergen auch nicht so viele Fledermäuse, weil die Decke bereits teilweise eingebrochen ist. Durch die Bäume schimmert grünes Licht in die Höhlen und verleiht ihnen etwas Mystisches.
Swallows Cave (Bild 1 + 2) | Höhle unweit von Mariners Cave | Wald der Insel Kapa | Little Cave mit offener Decke | Abendstimmung
Morgens erklingt stets ein herrliches Vogelkonzert aus den dichten Uferwäldern. Wir beobachten die weissen Feenseeschwalben, wie sie sich Kopfüber ins Meer stürzen und erspähen ab und zu einen auffallend blauen Fleck, einen Eisvogel, in den Zweigen. Ich bin begeistert von den Flughunden, die abends über unsere Köpfe gleiten und mit ihren niedlichen schwarzen Knopfaugen von den Bäumen herabblicken.
Eisvogel (Kingfisher) | Flughund (Bild 1-3)
Ein Tauchgang führt uns zu einem üppig mit Korallen und Weihnachtsbaumwürmern überwachsensen Riff, das als Chinese Garden bekannt ist. Ein anderes Mal tauchen wir in die Sharktooth Höhle. Im Strahl der Taschenlampe sieht man, dass die Höhlenwände mit roten und gelben Korallen überwachsen sind. Lobster und junge Weissspitzen-Riffhaie verstecken sich in dunklen Nischen. Der Hauptteil der Höhle, wie auch die beiden Zugänge befinden sich unter Wasser, aber am Ende zweier Höhlengänge kann man an die Oberfläche auftauchen.
Korallen und Weihnachtsbaumwürmer beim Chinese Garden (Bild 1-2) | In der Sharktooth Höhle | bunt bewachsene Höhlenwände | Lobster
Hier beobachten wir ein spannendes Phänomen: Wellen, die aussen gegen die Felsen klatschen, heben den Wasserspiegel in den Höhlen kurzfristig an, was sich mit Ohrendruck bemerkbar macht. Sinkt das Wasser und damit der Druck wieder, kondensiert die feuchte Luft für einen Moment und Nebel umgibt uns.
Höhleninneres bei hohem Druck mit klarer Sicht | Nebel bei Unterdruck
Nieseltage
Die Tage werden grau und nieselig. In einer von Seesternen übersäten Bucht vor der Insel Kenutu verkriechen wir uns einige Tage in ALOYs Kajüte. Es ist angenehm, zur Abwechslung weniger zu unternehmen. Nach erneut acht Monaten auf Reisen haben wir manchmal den Eindruck, dass wir Neues gar nicht mehr richtig aufnehmen können. Unser Gedächtnis ist bereits übervoll von grossartigen Erlebnissen und wir fangen an, ernsthaft unsere letzte Etappe nach Neuseeland zu planen.
Ebbe vor Kenutu Island (Bild 1 und 2) | Strandspaziergang an einem sonnigeren Tag
Die Insel Kenutu liegt ganz im Osten der Vava’u Gruppe und ist unbewohnt. Bei Ebbe bildet sich ein langer fluffiger Sandstrand, bei Sonnenschein vermutlich der reine Ferientraum. Das friedliche Bild des einsamen Strandes passt allerdings nicht zu den laut donnernden Geräuschen, die von der anderen Seite der Insel herüberklingen.
Zusammen mit Tash und Tim von der der MOODY RUDIE suchen wir uns einen Weg durch den Wald, um auf die Luvseite der Insel zu gelangen. Dort blickt man von steilen Felswänden hinab in eine tosende See. Die Wellen brechen weiss schäumend und mit bedrohlicher Kraft gegen messerscharfe Klippen. Der Wind pustet uns den Niesel direkt ins Gesicht und dramatisiert das Schauspiel zusätzlich. Ehrfürchtig starren wir hinab und versuchen dabei nicht zu nahe an den Abgrund zu treten. Die Insel ist lediglich dreihundert Meter breit, was für ein Unterschied zwischen der Luv und der Leeseite!
Tosende Wellen auf der Luvseite von Kenutu Island (Bild 1-3) | Wellen preschen zwischen zwei Inseln hindurch | auf der Leeseite kommt kaum etwas von den Wellen an
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