
In einer gemütlichen Dreitagesfahrt erreichen wir Tahiti und ergattern einen freien Hafenplatz in der Papeete Marina. Diese liegt zentral und ist dafür überraschend günstig, weshalb wir uns eine Woche Hafen leisten. Danach wechseln wir an den einzigen Ankerplatz in Stadtnähe, den Airport Anchorage. Dafür müssen wir den Startbereich des Flughafens queren, was eine Funkabsprache mit den Behörden erfordert. Wir werden durchgelassen und liegen für eine weitere Woche in der Lagune.
Floaty oder Flitzi?
Die Distanz zwischen dem Ankerplatz und dem städtischen Dinghydock erschreckt uns zunächst. Wir sind uns inzwischen weite Dinghyfahrten gewohnt, aber gleich drei Meilen? Das neue Beiboot, wir nennen es Floaty, ist allerdings ein kleines Wunder. Ausgestattet mit dem Tohatsu 5 PS Motor, den wir uns Anfang Jahr für den Pazifik geleistet hatten, schafft es über 10 Knoten und wir erreichen den Hafen in unter 20 Minuten. Vielleicht sollten wir Floaty in Flitzi umbennen.

René flitzt mit Floaty
Hauptstadt Papeete
Tobi steigt in Papeete auf sein Anschlussboot um. Für René und mich ist erstmal Bootswartung angesagt. Zum Glück stehen nur Kleinigkeiten an, eine defekte Lampe und ein rostiger Wasserhahn müssen ausgetauscht werden, der Motor braucht etwas Zuwendung. Dann heisst es putzen, wasserfüllen, proviantieren. Schliesslich bringen wir, man traut sich kaum, es zu schreiben, nach zwei Monaten die Bettlacken und Handtücher in den Waschsalon.

Polynesische Zweirümpfer vor Papeete Marina
Papeete ist die wohl grösste Stadt zwischen Panama City und Auckland, ein leicht urbaner Schock für manche Segler. Wir finden es nett. Die Leute begegnen uns freundlich, in den Aussenquartieren grüssen uns viele sogar, und natürlich schätzen wir zur Abwechslung die gute Infrastruktur. Als besonders «schmuck» würde ich Papeete hingegen nicht beschreiben.
Marina Papeete mit Kreuzfahrtschiff | Ausblick vom Fähranleger | Einblick ins riesige Dach des Fähranlegers
Neben dem gigantischen Fährterminal sticht besonders die Markthalle heraus. Hier reicht das Angebot von frisch gefangenem Fisch, über Gemüse und Blumengestecke bis zu Souvenirs. Unweit des Hafens gibt es ein paar gemütliche Strassencafés, Restaurants und eine weitläufige Uferpromenade. Überall in der Stadt findet man Graffitis an den Hauswänden.
Blumenmarkt | Gemüsemarkt | Markthalle von Papeete | Graffiti an einer Hausfassade
Tanz mit blumenkranz
Freitag nachts hält uns laute Musik lange wach und wir deuten das als Aufforderung, am Samstag selbst auszugehen. Gegen zehn Uhr ziehen wir uns hübsch an, um Papeetes Gassen unsicher zu machen. Viele Obdachlose haben sich bereits an den Strassenrändern für die Nachtruhe eingerichtet, wir schleichen vorbei. Die angesagten Clubs öffnen gerade erst ihre Tore, Schlangen junger Leute reihen sich auf. Wir finden ein zur Strasse hin geöffnetes Lokal, das Maeva , wo bereits munter getanzt wird. Eine Liveband spielt polynesischen Popsongs. Mit zwei Stangen Hinano von der Bar, setzten wir uns an einen Tisch und beobachten die Tanzpaare.
Was ist das bloss für ein Tanzstil? Irgendetwas zwischen Salsa und Disco Fox, so scheint es, leicht wippende Hüften und viel komplizierte Armarbeit. René muss mich nicht lange bitten, wir tanzen mit, auch wenn wir keine Ahnung haben, wie es richtig geht. Spass macht es trotzdem.
Papeete Marina bei Nacht | Stadtzentrum bei Nacht | Tanzen
Eine Markthändlerin kommt ins Lokal und bietet ihre beiden letzten Blumenkränze zum Verkauf an. Unser Tischnachbar erwirbt sie, schmückt seine Begleiterin und schenkt mir kurzerhand den anderen. Seine bereits etwas beschwipste Freundin bindet mir den duftenden Kranz um den Kopf. René staunt und macht natürlich ein Foto. Dann tanzen wir weiter.
Illy mit duftendem Blumenkranz
Etwas später spricht uns Camille, eine andere Tischnachbarin, an und fragt, wie wir uns in dieses Lokal verirrt hätten. Offenbar fallen wir auf wie zwei bunte Hunde. Komisch, es gibt ja so viele Tourist_innen in Papeete. Sie erklärt uns, dass der Tanzstil Tahiti Rock heisst und nennt uns Ort und Zeit des nächsten Tanzkurses.
Als wir am folgenden Abend mit etwas Verspätung (wir waren erst am falschen Ort) im Tanzstudio eintreffen, werden wir bereits erwartet. Camille hatte uns kurzerhand angemeldet. Der Tanzlehrer zeigt den Grundschritt vor: rechts, rechts, links für die Frau, gegenverkehrt für den Mann, und gliedert uns sogleich in die Gruppe ein. Während zwei Sonntagabenden lernen wir nun also die Grundlagen des Tahiti Rocks und des Hula-Paartanzes, auf französisch und mit vielen Partnerwechseln.
Ins Museum
In den kommenden Tagen schleppe ich René zunächst ins Robert Wan Perlmuseum, das sich mehr als eine Verkaufsshow als eine aufschlussreiche Ausstellung herausstellt. Robert Wan kontrolliert einen ordentlichen Teil des Tahiti Perlhandels, weshalb er auch als Perl Imperator bekannt ist. Dann fahren wir mit dem Bus nach Nu’uroa, wo das Musée de Tahiti et des îles eine hervorragende Ausstellung zur Kulturgeschichte Französisch-Polynesiens eingerichtet hat.
René im Robert Wan Museum | Fassade des Musée de Tahiti et des îles
Es fällt gleich auf, dass die Seefahrt eine zentrale Rolle spielt. Das polynesische Kanu, waka oder va’a genannt, bestand traditionell aus einem Einbaum mit seitlich befestigtem Ausleger. Auch grössere Boote wurden stets mit einem Ausleger oder sogar aus zwei Rümpfen konstruiert. Der heute weit verbreitete Katamaran ist davon abgeleitet. Mit diesen seetüchtigen Gefährten besiedelten die Vorfahren der heutigen Polynesier_innen alle Archipele von Tonga bis nach Hawaii, Neuseeland und sogar die abgelegene Osterinsel. Die Navigation funktionierte ohne Instrumente. Nur anhand von Naturbeobachtungen fanden sich die südpazifischen Seefahrer_innen zurecht, trieben Handel, schlossen Bündnisse oder bekriegten sich gegenseitig.
Einblick in die Ausstellung | Modell eines polynesischen Zweirumpfbootes
tsunami-Gefahr?
Am Nachmittag des 29. Juli herrscht Aufregung im Hafen. Auf der russischen Halbinsel Kamtschatka gab es ein starkes Erdbeben. Das NWS Pacific Warning Center auf Honolulu warnt grossflächig vor Tsunamis. Was bedeutet das für uns? Aufgeregte Skipper treffen sich auf den Stegen und diskutieren eifrig, andere funken die Port Authority an, die sich selbst erst noch informieren muss. Soll man sofort auslaufen, um sich auf hoher See in Sicherheit zu bringen oder abwarten, was die lokalen Behörden kommunizieren. Wir entscheiden uns für Letzteres. Diese weisen schliesslich alle auf den Marquesas liegenden Yachten an, die Küste zu verlassen. Die übrigen Archipele seien nicht betroffen. Wir verlassen uns darauf und tatsächlich ist hier nichts von einem Tsunami zu spüren.
Tsunami-Warnung von Polynesia1ère auf Instagram
Inselrundfahrt
Tahiti besteht aus zwei Inseln, die über eine Landenge miteinander verbunden sind. Das kleinere Tahiti Iti im Osten und das grössere Tahiti Nui, wo wir uns befinden. Um mehr als nur Papeete zu sehen, unternehmen wir zusammen mit Ester und Niklas eine Rundfahrt mit einem Mietauto und erwischen dafür den einzigen Regentag seit Wochen.
Regenstimmung auf Tahiti Iti | Ester sucht Schutz vor dem Regen
Die Fahrt entlang der Südküste führt uns durch zahlreiche Dörfer und an verschiedenen Sehenswürdigkeiten vorbei. Da ist das Marae Arahurahu, die Rekonstruktion eines zeremoniellen Platzes, der heute für traditionelle Ma’ohi-Feste genutzt wird. Als Ma’ohi werden hier die Vorfahren der Polynesier bezeichnet. Der Begriff wird aber auch teilweise für die heutige Bevölkerung und insbesondere für Gebräuche genutzt, die sich auf die alte polynesische Kultur beziehen.
Marae Arahurahu | Ti'i (Tiki) beim Marae Arahurahu | üppige Flora in Tahitis Süden
In den Wassergärten von Vaipahi werden die auf Tahiti vorkommenden Pflanzen, endemische, einheimische und eingewanderte Arten, vorgestellt. Blumen, wie die weisse Tiare-Blüte oder der duftende Ylang Ylang spielen kulturell eine wichtige Rolle. In den üppig grünen Wäldern leben besonders viele Farne, die René und ich auf einer Wanderung bewundern.
Eindrücke von den Wassergärten bei Vaipahi
Teahupoo
Niklas ist begeisterter Surfer und motiviert uns bis nach Tahiti Iti zu fahren und den berühmten Surfspot Teahupoo zu besuchen. Dort wurden 2024 im Rahmen der Pariser Olympiade die Wettkämpfe im Wellensurfen ausgetragen. Die olympischen Ringe, Fotospots sowie ein Aussichtsturm erinnern an das Ereignis.
Zur Wahl des Austragungsortes gab es im Vorfeld einige Bedenken, da die Welle von Teahupoo besonders gefährlich ist. Die kräftige, hohle Welle bricht knapp vor scharfkantigem Riff, an welchem sich die Surfer_innen schwer verletzen können.
Eindrücke von Teahupoo
Als wir beim Surfspot eintreffen, wird der Standort gerade wieder für einen grossen Wettkampf hergerichtet. Von der berüchtigten Welle sehen wir wegen des hartnäckigen Regens nicht viel. Nahe am Ufer bricht eine sanftere Welle, die zahlreiche Freizeitsurfer_innen zum Trainieren nutzen.

Surfer_innen an Tahitis Küste
Es ist bereits dunkel, als wir von der Inselrundfahrt zurückkehren. Wir nutzen das Auto, um unsere Vorräte noch ganz aufzufüllen. Die Nachbarinsel Mo’orea lockt.
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