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Tierisch was los

Von Cienfuegos aus gehts Richtung Cayo Largo, einer Koralleninsel im Südwesten Kubas. Die Distanz von rund achtzig Seemeilen legen wir in zwei Etappen zurück mit Zwischenhalt an einem Leuchtturm. Unterwegs wird ALOY von Delfinen begleitet. Sie scheinen sich nicht an der dieselähnlichen Treibstoffbrühe zu stören, die wir notgedrungen tanken mussten und jetzt flautebedingt verbrennen.

In Cayo Largo müssen wir uns erst einmal im Hafen anmelden, bevor wir für die kommende Woche in der Bucht vor Anker liegen dürfen. Neben leeren Gastliegeplätzen gibt es eine Fähre, zwei Tauchboote und ein paar Fischkutter. Fest wohnen tut hier niemand. Die Kubaner:innen, die Marina, Tauchbasis, Hotels und Restaurants betreiben, kommen abwechselnd für zwanzigtägige Einsätze her, bevor sie wieder zu ihren Familien auf den Nachbarinseln heimkehren.

Direkt am Hafen ist auch die Schildkrötenstation untergebracht. Zusammen mit Freiwilligen sammeln die Biologen der Station jedes Jahr um die 15'000 Schildkröteneier an den Stränden von Cayo Largo ein. Die elastischen Eier werden auf der Station wieder in Sand eingebuddelt bis die jungen Meeresschildkröten schlüpfen. Nachdem die Babys eine Weile gepäppelt wurden, werden sie ausgewildert und haben eine höhere Überlebenschance, als wenn sie von Anfang an auf sich gestellt gewesen wären.

Die Station pflegt auch eine Gruppe von Albino-Schildkröten, die allerdings nicht ausgewildert werden. Sie schwimmen in einem vor der Sonne geschützten Becken und geben laut pfaufende Atemgeräusche von sich.

Am Abend nach unserer Ankunft schwimme ich munter durch die Bucht zu einem Nachbarboot. Die Temperaturen sind mit über 30°C inzwischen ausgesprochen hoch und ein  Bad mehrmals täglich ist eine willkommene Abkühlung selbst wenn das Wasser 29° C hat. Am zweiten Tag vergeht uns das Baden allerdings vorerst, denn im Hafen schwimmt ein Krokodil.

Wir erkundigen uns in der Marina, ob Baden gefährlich sei, aber die Auskunft ist nicht wirklich nützlich. Irgendwer werde es bald holen, Krokodil sei lecker. Ein Scherz? In Zukunft halten wir unsere Abkühlung kurz. Googlen können wir die Frage nicht mehr, weil die kubanische Telefongesellschaft uns nach wiederholten Kontrollanrufen die illegal erworbene SIM-Karte gesperrt hat. An neues Internet ist in Cayo Largo ebenso wenig zu kommen, wie an Lebensmittel.

Eine der Inseln in der Bucht besteht aus ganzen Schollen von bröselndem Kalksand und Muschelüberresten. Darauf lebt eine Gruppe Leguane, die uns sofort entgegeneilt, als wir das Eiland mit dem Dinghy aufsuchen. Sie werden angefüttert und sind daher zutraulich.

Wir verbringen eine entsetzliche Nacht, weil die Moskitos durch jede erdenkliche Ritze in die Kabine gelangen und uns im Flottenverband attackieren. Daher wird am folgenden Morgen eine Mückenabwehr-Operation durchgeführt. Wir schneiden zusätzliche Moskitonetzte zu und kleben die bereits vorhanden lückenlos mit Silbertape an den Fensterrahmen fest. Mangels Klettverschluss waren sie bisher nur punktuell befestigt, was immer ausgereicht hatte. In den folgenden Nächten summt es vor den Fenstern, aber wir bleiben unbehelligt.

Kuba ist ein fantastisches Tauchrevier, weil die Riffe fern ab von Massentourismus und Fischerei intakt geblieben sind. Erstmals sehen wir gross gewachsene Exemplare der karibischen Rifffische, die teilweise in ganzen Schwärmen unterwegs sind. Ebenso begegnen uns Lobster, Muränen, Rochen und mehrere stattliche Riffhaie. Den Tauchausflug unternehmen wir mit der lokalen Tauchschule, weil uns das autonome Tauchen hier verboten ist.

Die Tourismus-Saison in Cayo Largo ist bereits am Ende. Von Januar bis April fliegen wöchentlich drei bis vier Flugzeuge von Kanada in das Ferienparadies, jetzt ist es nur noch eines. Der mehrere kilometerlange, mehlig-weisse Sandstrand liegt verlassen da. Wenn uns das Saisonende nicht selbst im Nacken sitzen würde, wir würden noch lange bleiben.

Aber die Zeit drängt. Mit dem ersten Juni beginnt offiziell die Hurricane-Saison in der Karibik und wir müssen ALOY an einen Wirbelsturm-sicheren Ort segeln. Also verholen wir schweren Herzens für eine letzte Nacht in die Marina zum Ausklarieren. Nachts wache ich auf, weil es raschelt, als hätte sich ein Moskitonetz gelöst. Ein Einbrecher? Alarmiert stehe ich auf. Das Netz am Eingang ist tatsächlich verschoben und ich sehe einen dunklen Schatten. Als ich einen Schritt darauf zumache, dreht die Ratte um und türmt.

Und wo geht es jetzt hin? Wir haben uns entschieden, ALOY während der Hurricane-Saison in Panama unterzubringen. Darum segeln wir erst zu den Kaimans, von wo aus ich jetzt schreibe. Am 17. Mai geht es weiter nach Providencia. Da es am berüchtigten Thunder Knoll vor Honduras immer wieder zu Piratenangriffen kommt, werden wir nicht direkt nach Süden halten, sondern erst einmal hundert Meilen nach Osten zurücklegen. Wir hoffen, dass wir im Schutz der Grossschifffahrtsrouten und einer kolumbianischen Millitärbasis auf der Seranilla Bank, unbehelligt an Honduras und Nicaragua vorbei kommen. Das Wetter wird zunehmend unbeständig, Gewitter treten häufiger auf. Die Vorhersage für die kommenden Tage ist aber gut aus. Drückt uns bitte die Daumen.