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Kaum zu glauben, wir verlassen erstmals auf unserer Reise die Europäische Union. Um ein Uhr Nachts brechen wir von Saint Pierre auf, um gegen Mittag in Roseau, Dominicas Hauptstadt, anzukommen. Dort wird erst einmal einklariert. Wir hörten Unterschiedliches von Dominica. Viele Segler lassen die Insel aus, was zum einen daran liegen mag, dass es hier kaum geschützte Buchten mit dem zum Ankern geeigneten, flachabfallenden Sandgrund gibt. Stattdessen fassen zerklüftete Steilküsten die Insel ein. Es wird aber auch berichtet, dass Segler hier von aufdringlichen Boatboys belästigt oder gar beschimpft worden sind und dass es Diebstähle gab. Andere wiederum schwärmen von der Insel.

Das orange Haus von Mr. Seacat und seiner Familie, davor die Bretterbude. Rechts das Muringfeld von Seacat.

Inzwischen haben engagierte Locals sichere Bojenfelder für Yachttouristen eingerichtet, inklusive Anlegestege für die Beiboote. Nach dem Einklarieren melden wir uns daher über Funk bei Seacat Tours, die uns eine ihrer Muringbojen vermieten. Mitarbeiter Desman kommt uns entgegen, hilft beim Anlegen und beantwortet Fragen. Er und seine Kollegen bewachen die Yachten Tag und Nacht von einem Bretterverschlag aus.

Zu Fuss laufen wir ins Stadtzentrum, wo gerade die erste Karnevalsparade stattfindet. Eine Gruppe von Schülerinnen schwingt choreografiert Fahnen. Es folgen Männer, Frauen und Kinder auf hohen Stelzen, auf welchen sie nicht nur  tanzen sondern auch stillstehen können. Karibische Rhythmen hämmern aus überdimensionalen Lautsprechen, die mit Autos durch die Strassen gefahren werden. Anlässlich des Karnevals wird hier auch die nächste Miss Dominica gewählt. Die vier Kandidatinnen werden auf dekorierten Autos vorgeführt. 

In Roseau wirken die Häuser gepflegt. Sie sind in kräftigen Farben frisch gestrichen, geschnitzte Zierelemente säumen Dachkanten und Balkone, stabile Ziergitter sichern die Fenster und Türen im Erdgeschoss. Auch die Landstrasse ins Inselinnere ist in einem, verglichen mit gewissen Strassen auf Martinique, hervorragenden Zustand. Wir erfahren, dass der Hurrikan Maria die Insel 2017 mit voller Wucht getroffen hatte (Hurrikan-Kategorie 5). 65 Menschen starben, über 90% der Häuser wurden beschädigt, ganze Waldflächen abgeholzt. In den Städten kam es zu Plünderungen. Der finanzielle Schaden belief sich auf das zweifache Bruttoinlandprodukt der Insel (BIP 2016). Inzwischen wurden zahlreiche Gebäude wieder aufgebaut, andere stehen noch als Ruinen da.

Bei Desman buchen wir einen Guide für eine Wanderung zum berühmten Boiling Lake, eine von Dominicas Hauptattraktionen. Es ist immerhin der zweitgrößte kochende See der Welt. Mr. Seacat persönlich, der Gründer und Eigentümer von Seacat Tours und Yachtservice führt uns und ein dänisches Paar am Sonntagmorgen früh in die Berge. Mit bald sechzig Jahren macht er die Tour nicht mehr so häufig. Wir folgen zunächst einem recht zivilisierten Weg durch den Regenwald bis zum Breakfast-River und steigen dann hinauf in den Bergwald. René ist schon etwas enttäuscht, sind wir uns vom Mont Pelée doch Anspruchsvolleres gewöhnt. Ich bin ausser Atem, als wir nach eineinhalb Stunden auf dem höchsten Punkt ankommen. Unser Guide verkündet fröhlich, dass wir die Hälfte des Hinwegs geschafft haben und gibt einen Punch aus.

Jetzt gehts ans Eingemachte, denn der Weg mündet in eine Art trockenen, steil abfallenden Bachbett, das wir herunterklettern müssen. Eva, die Dänin, die sich das Wandern nicht gewöhnt ist, ist ziemlich gefordert. René und ich sind wieder einmal dankbar für unsere guten Wanderschuhe. Wir gelangen ins Valley of Desolation, wo man darauf achten muss, nicht in kochendes Wasser zu treten. Die Wasserläufe, die durch diese unwirkliche Landschaft führen, dampfen. Es ist heiss und wir sind froh, dass wir früh aufgebrochen sind. Mr. Seacat kocht uns im Bach Eier und verpasst uns eine Schlammmaske. 

Es geht weiter, bergab und bergauf, bergab und bergauf. Dann endlich, nach drei Stunden erreichen wir ihn, diesen kochenden See. Überraschung: er ist leer! Offenbar kommt es selten mal vor, dass der See spontan austrocknet. Voraussehen könne man das nicht, erzählen die Guides. Bekannte, die zwei Tage später zum Boiling Lake wandern, treffen ihn jedenfalls wieder gefüllt an.

Macht nichts! Die ganze Wanderung hat uns so begeistert und gefordert, dass wir nicht enttäuscht sind. Auf dem Rückweg machen wir Halt bei einem natürlichen Pool mit von den vulkanischen Mineralien orange, rot, weiss gefärbten Wasserfall. Dort entspannen wir uns in 40° C warmem Wasser und wettern einen Regenschauer ab. Blöderweise müssen unsere Muskeln danach wieder auf Tour kommen, denn der Aufstieg zurück zum höchsten Berg steht bevor. 

Nach sieben Stunden kommen wir erschöpft im Tal an. Evi und Karsten freuen sich genau wie wir beide auf ein Abendessen und ein frühes Bett. Warum René dann anfängt, Mr. Seacat über die lokalen Ausgeh-Gewohnheiten auszufragen, ist mir schleierhaft. Das Gespräch führt zu den Dominicanischen Rumspezialitäten und als wir beim Seacat-Bojenfeld ankommen, fährt unser Guide daran vorbei ins nächste Dorf. Dort besuchen wir eine Bar am Strassenrand. Er bestellt Rum von "under the Table", nicht die offiziellen Destillate, die sichtbar im Regal stehen, sondern jene Flaschen, die die Barkeeper in der Theke verstecken. Für dieses Bush-Rum oder auch Marihuana-Rum genanntes Gebräu, werden Flaschen mit Gewürzen, wie Ingwer, Zimt oder Anis und Gras vollgestopft und dann mit Rum übergossen. Ich kann jetzt Feuer spucken. Wir tanzen schon nach einem Glas ausgelassen, dann verschwindet René und ich finde ihn wenig später bei den Jungs von nebenan. Sie drehen ihm gerade einen Joint. Als René schliesslich mit dem Dingi an ALOY anlegt, steigt er aus, ohne den Motor auszumachen. Unser Dingianker liegt noch am Ufer.

Ein nachmittäglicher Segeltörn bringt uns weiter nach Portsmouth, wo sich die Boatboys zu einer Organisation namens PAYS (Association of Yacht Services) zusammengeschlossen haben und ebenfalls Murings vermieten. Sie organisieren jeden Mittwoch und Sonntag ein Barbecue für die Yachties, eine gute Gelegenheit andere Segler:innen kennenzulernen. Wir buchen eine Tour in den Indien River, denn mit dem eigenen Beiboot darf man den Fluss leider nicht mehr befahren. Kalvin von Eddison Tours rudert uns stattdessen durchs Brackwasser und erzählt von den Mangroven, Palmen und Wasservögeln. 

In einem Seitenarm steht das Haus der Calypso, das für den Film "Fluch der Karibik" gebaut worden ist. Etwa zwei Monate lang, drehten die Filmemacher an verschiedenen Orten auf Dominica. Während wir uns die Füsse vertreten, flechtet Kalvin uns als Geschenk, Fische und einen Vogel aus Palmenblätter.

Schliesslich heisst es Abschied nehmen von Dominica, denn in Guadeloupe erwartet uns Besuch aus der Schweiz.